Louise Labé (1524 – 1566) DAS ACHTE SONETT / SONNET VIII

Louise Labé

DAS ACHTE SONETT

Ich leb, ich sterb: ich brenn und ich ertrinke,
ich dulde Glut und bin doch wie im Eise;
mein Leben übertreibt die harte Weise
und die verwöhnende und mischt das Linke

mir mit dem Rechten, Tränen und Gelächter.
Ganz im Vergnügen find ich Stellen Leides,
was ich besitz, geht hin und wird doch ächter:
ich dörr in einem, und ich grüne, beides.

So nimmt der Gott mich her und hin. Und wenn
ich manchmal mein‘, nun wird der Schmerz am größten,
fühl ich mich plötzlich ganz gestillt und leicht.

Und glaub ich dann, ein Dasein sei erreicht,
reißt es mich nieder aus dem schon Erlösten
in eine Trübsal, die ich wiederkenn.

SONNET VIII

Ie vis, ie meurs: ie me brule et me noye.
I-ay chaut estreme en endurant froidure:
La vie m’est et trop molle et trop dure.
I’ay grans ennuis entremeslez de ioye:

Tout à un coup ie ris et ie larmoye,
Et en plaisir maint grief tourment i’endure:
Mon bien s’en va, et à iamais il dure:
Tout en un coup ie seiche et ie verdoye.

Ainsi Amour inconstamment me meine:
Et quand ie pense auoir plus de douleur,
Sans y penser ie me treuu hors de peine.

Puis quand ie croy ma ioye estre certeine,
Et estre au haut de mon desiré heur,
Il me remet en mon premier malheur.

(Aus dem Mittelfranzösischen übertragen von Rainer Maria Rilke)