Zum Tod Stalins

Uwe Johnson sagt irgendwo (jetzt sinngemäß aus dem Gedächtnis): „1956 erfährt der Genosse Ulbricht, daß Genosse Stalin drei Jahre vorher gestorben war.“

Hier zum Anlaß des Tages (am 5. März 1953 starb „die Sonne der Völker“ Josef Stalin) der Anfang eines Gedichts von Brecht aus dem für Brecht kurzen Jahr 1956:

DER ZAR HAT MIT IHNEN GESPROCHEN
Mit Gewehr und Peitsche
Am Blutigen Sonntag. Dann
Sprach zu ihnen mit Gewehr und Peitsche
Alle Tage der Woche, alle Werktage
Der verdiente Mörder des Volkes.

Aus: Bertolt Brecht, Gedichte 5. (Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Bd. 15). Aufbau Verlag + Suhrkamp: 1993, S. 300

Vom armen B.B.

Vom armen B.B.

Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäldern.
Meine Mutter trug mich in die Städte hinein
Als ich in ihrem Leibe lag. Und die Kälte der Wälder
Wird in mir bis zu meinem Absterben sein.

In der Asphaltstadt bin ich daheim. Von allem Anfang
Versehen mit jedem Sterbsakrament:
Mit Zeitung. Und Tabak. Und Branntwein.
Misstrauisch und faul und zufrieden am End.

Ich bin zu den Leuten freundlich. Ich setze
Einen steifen Hut auf nach ihrem Brauch.
Ich sage: Es sind ganz besonders riechende Tiere
Und ich sage: Es macht nichts, ich bin es auch.

In meine leeren Schaukelstühle vormittags
Setze ich mir mitunter ein paar Frauen
Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen:
In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.

Gegen Abend versammle ich um mich Männer
Wir reden uns da mit “Gentlemen” an.
Sie haben ihre Füße auf meinen Tischen
Und sagen: Es wird besser mit uns. Und ich frage nicht: Wann?

Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen
Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schrein.
Um die Stunde trink ich mein Glas in der Stadt aus und schmeiße
Den Tabakstummel weg und schlafe beunruhigt ein.

Wir sind gesessen, ein leichtes Geschlechte
In Häusern, die für unzerstörbare galten
(So haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan
Und die dünnen Antennen, die das Atlantische Meer unterhalten).

Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind!
Fröhlich machet das Haus den Esser: er leert es.
Wir wissen, daß wir Vorläufige sind
Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes.

Bei den Erdbeben, die kommen werden, werde ich
hoffentlich Meine Virginia nicht ausgehen lassen durch Bitterkeit
Ich, Bertolt Brecht, in die Asphaltstädte verschlagen
Aus den schwarzen Wäldern in meiner Mutter infrüher Zeit.

Jörg Themistokles Kartakis und auf griechischhttp://www.youtube.com/watch?v=Ms3wI3ShbTw

http://www.musicpaper.gr/we-saw/item/2515-stage#.UWAA0Ffke8E Από την εμφάνιση του Θάνου Μικρούτσικου με την Ρίτα Αντωνοπούλου στην μουσική σκηνή Ρυθμός σε μι…
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Der Rauch

1.6.6.3 bertolt brecht: der rauch

Textkette

Ausgewählt von Nistiarch Neelts im Auftrag von Frank Weißbach fürs Liken von Andreas Altmann: Das Engelhafte

Der Rauch

Das kleine Haus unter Bäumen am See
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Aus: Bertolt Brecht: Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band XII: Gedichte 2. Sammlungen 1938-1956. Berlin/ Weimar und Frankfurt: Aufbau / Suhrkamp, 1988, S. 308.

(…)

Liebe Marie, Seelenbraut

1.10.1.2.3.2.1 bertolt brecht: liebe marie, seelenbraut

Textkette

Ausgewählt von Christiane Kiesow

 

Jörg Meyer gab mir Bertolt Brecht. Und obwohl alle an die Nachgeborenen schreien, gefällt mir dieses spitzbübsche doch viel besser:

 

Liebe Marie, Seelenbraut

Liebe Marie, Seelenbraut:
Du bist viel zu eng gebaut.
Eine solche Jungfernschaft
Braucht mir zu viel Manneskraft.

Ich vergieße meinen Samen
Immerdar schon vor der Zeit:
Wohl nach einer Ewigkeit
Aber lange vor dem Amen.

Liebe Marie, Seelenbraut:
Deine dicke Jungfernhaut
Bringt mich noch zur Raserei.
Warum bist du auch so trei?

Warum soll ich, sozusagen:
Nur weil du lang sitzenbliebst
Grade ich, den du doch liebst
Mich statt einem andern plagen?!
‪Jörg Meyer gefällt das.

 
Christiane Kiesow Gewiss, sein größter Wurf ist’s nicht.
Jörg Meyer Aber kongenial als Nachgeburt zu den „Nachgeborenen“ (gut, dass du mein favourite nicht wähltest, sondern mit Seelenbraut Marie neues setztest).
Jörg Meyer Ich habe indes bei meiner Chronik nachgelegt – Purim naht, ich habe Auftrag zu dichten …
Michael Gratz die nachgeborenen gibts eh längst an einem andern ast des textbaums

AN DIE NACHGEBORENEN

1.6.3.4 bertolt brecht: an die nachgeborenen

Textkette

Ausgewählt von Matthias Dietrich

 

Auf Wunsch von Esther Ackermann: Was Aktuelles von Bertolt Brecht.

„AN DIE NACHGEBORENEN

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?

Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich satt zu essen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt
Bin ich verloren.)

Man sagt mir: iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich es dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.

Ich wäre gerne auch weise
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

[…]“

Two Views of a Cadaver Room

1.6.1 sylvia plath: zwei ansichten eines leichenraums

Ausgewählt von Pega Mund
Textkette
Also, ist ganz einfach: Jede Person, welche bei diesem Gedicht hier „gefällt mir“ klickt, bekommt von mir eine(n) AutorIn zugewiesen, sucht dann ein Gedicht von diesem Autor/dieser Autorin raus und postet es, um so das Gedichte-Netz weiter zu spannen.

Kerstin Becker hat mir Sylvia Plath zugewiesen.

Zwei Ansichten eines Leichenraums
(Two Views of a Cadaver Room)

1
Am Tag als sie in den Sektionssaal ging,
Lagen vier Männer dort, schwarz wie verschmorter Truthahn,
Schon halb zerlegt. An ihnen hing
Ein Essigdunst von den Totenwannen;
Die weißbekittelten Jungs fingen zu arbeiten an.
Der Kopf seiner Leiche war eingedellt,
Und sie konnte in diesem Geröll
Aus Schädelplatten und altem Leder kaum was erkennen.
Ein bleiches Stück Schnur hielt alles zusammen.

In ihren Gläsern träumen und leuchten die schneckennasigen Babys.
Er reicht ihr das rausgeschnittene Herz wie ein zersprungenes Erbstück.

2
In Breughels Panorama aus Rauch und Gemetzel sins
Nur zwei Leute für die Aas-Armee blind:
Er, schwimmend im Meer von blauen
Satinröcken, singt in Richtung ihrer bloßen
Schulter, während sie, die Noten
In den Fingern, sich über ihn beugt, beide taub
Für die Fiedel in Händen des Toten-
Kopfs, Schatten über ihrem Gesang.
Diese flämischen Liebenden blühen, nicht lang.

Doch die Trostlosigkeit, verewigt in Öl, schont das kleine Land
Töricht, zart, in der rechten unteren Ecke.

(aus: Sylvia Plath, Der Koloss, Berlin 2013; Übersetzung: Judith Zander)

8. Februar 2014 um 15:06




Sven Wenig, Siegfried Völlger, José Oliver und 10 anderen gefällt das.





1 geteilter Inhalt








Pega Mund master Michaell, suchst du uns was von elke erb raus, bitte – und die anderen aufgaben kommen später und danke schon mal an die mitmachwillig gelike-t habenden 
8. Februar um 16:26 · Gefällt mir · 1











Michael Gratz yes, ma’m
8. Februar um 16:32 · Gefällt mir · 1











Pega Mund stück feenfleisch oder so …
8. Februar um 16:33 · Gefällt mir







Auszug aus einer DIskussion um das Gedicht:





Michael Gratz was wissen denn wir? früher war ein gedicht, was horaz ähnelte. in hermann kants roman „die aula“ liest der lehrer seinen arbeiter-schülern brechts „fragen eines lesenden arbeiters“ vor. die waldarbeiterin rose paal sagt: das ist schön – aber ist das ein gedicht? sie hatte in der schule eichendorff und löns. eine definizion [sic] der lyrik kann nicht sagen was sie sein soll, sondern nur was sie wirklich ist. was wissen denn wir, was japaner, somalier, schoschonen usw. für gedichte halten; oder vor 1000 jahren hielten. für jeden was dabei. das andre läßt man liegen, das leben ist eh zu kurz.
8. Februar um 16:50





Michael Gratz hölderlin kannte das problem schon: „Ich bitte dieses Blatt nur gutmüthig zu lesen. So wird es sicher nicht unfaßlich, noch weniger anstößig seyn. Sollten aber dennoch einige eine solche Sprache zu wenig konventionell finden, so muß ich ihnen gestehen: ich kann nicht anders. An einem schönen Tage läßt sich ja fast jede Sangart hören, und die Natur, wovon es her ist, nimmts auch wieder.“ (vorrede zu seinem gedicht“die friedensfeier“
8. Februar um 16:55 · Gefällt mir · 3








N.N. Murmelndes, an die Leserschaft diffuses abgesendetes, führt ins Dunkellicht der Verzweiflung. Ich sagte schon einmal: Ich verstehe das nicht. Was ich noch wünschen kann: Einen schönen Tag!
8. Februar um 17:00 · Gefällt mir












Michael Gratz hölderlins texte hielten die meisten zeitgenossen für diffuses abgesendetes, sein verehrter lehrer schiller eingeschlossen. er selber sprach vom „gesetzlichen kalkül der dichtung“. niemand wird gezwungen, hölderlin zu lesen, außer vielleicht schüler und studenten. woher die so verbreitete neigung, was einem selber nicht mundet, den andern als ungenießbar oder gar giftig („führt ins dunkellicht der verzweiflung“) zu verordnen. eines schickt sich nicht für alle. sehe jeder wo er bleibe. sehe jeder was er treibe und wer steht, daß er nicht falle.
8. Februar um 17:06 · Gefällt mir











Michael Gratz (goethe)Übersetzung anzeigen

8. Februar um 17:07 · Gefällt mir











Michael Gratz ausm gedächtnis zitiert, also vermutlich mit kleineren abweichungen
8. Februar um 17:08 · Bearbeitet · Gefällt mir












Michael Gratz rein assoziativ und ohne bezug auf die grad herrschende stimmung beschert mir das gedächtnis ein gedicht von peter hacks. es soll nichts bedeuten, es ist nur grad in meinem hirn.
der dichter einem schwanze verglichen

er wird die gesetze
der welt nicht sprengen.
erst muß er stehen.
dann muß er hängen.
8. Februar um 17:12 · Bearbeitet · Gefällt mir












Michael Gratz brecht hatte 1953 eine diskussion mit greifswalder studenten nach einer theateraufführung. die studenten, wie sies gelernt hatten, nannten den bunten theatervorhang (von picasso) formalistisch. nach einiger diskussion wurde brecht barsch: das wird ihnen jetzt einfach gesagt, daß das große kunst ist! – falls sie mit „dort oben“ sylvia plath meinen, sage ich ihnen jetzt, daß das eine große dichterin ist. sie müssen das weder verstehen noch akzeptieren, es ist unerheblich. trinken sie ihren rotwein und lesen oder tun sie angenehmeres. so einfach ist das.
8. Februar um 18:57 · Gefällt mir · 3











Pega Mund sooo, jetzt mal weiter mit José – what about some versos von Friederike Mayröcker?
8. Februar um 23:11 · Gefällt mir











Pega Mund und Ed Bosinski: Selma Meerbaum-Eisinger – ist das möglich?
8. Februar um 23:14 · Gefällt mir · 1











Pega Mund Siegfried Völlger: etwas von Else Lasker-Schüler wäre fein …
8. Februar um 23:16 · Gefällt mir











Pega Mund Sven Wenig: Darf ich mir eines von Gisela Kraft wünschen?
8. Februar um 23:23 · Gefällt mir · 1











Sven Wenig Gern.
8. Februar um 23:23 · Gefällt mir · 1











Pega Mund Liebe Andrea Wolfmayr, bitte etwas von Ingeborg Bachmann posten -
9. Februar um 12:59 · Gefällt mir · 1











Pega Mund Liebe Ju Sophie, suchst du uns was von Christine Lavant?
9. Februar um 13:17 · Gefällt mir











Pega Mund Clemens, dir möcht ich Gabriela Mistral (Lucila Godoy Alcayaga) vorschlagen – oder auch Gerog Heym …
9. Februar um 13:22 · Gefällt mir · 1











Pega Mund … und Nina, du bekommst die Annette von Annette Droste-Hülshoff.
Freu mich auf Texte 
9. Februar um 13:36 · Gefällt mir · 1











Claudia Weinwurm Super – freu mich
9. Februar um 14:19 · Gefällt mir











Pega Mund Claudia Weinwurm, mein Vorschlag für dich ist: Ilse Eichinger -
9. Februar um 15:49 · Gefällt mir











Kerstin Becker Ilse Aichinger nicht wahr, liebe Pega – das E kommt bestimmt durch ihre Verbindung mit Eich zustande, ich hab immerzu solche Vermischungen/wirrungen)
9. Februar um 16:08 · Gefällt mir · 1











Pega Mund ja, natürlich Aichinger – puh, bei mir häuft sich das bedenklich in letzter zeit, ist so ein overflowmäßiges leben grad, von innen, von außen …
9. Februar um 16:12 · Gefällt mir · 1











Claudia Weinwurm Ilse Eichinger – ok – ich gehs gleih morgen an
9. Februar um 22:01 · Gefällt mir · 1











Pega Mund nur kein stress 
9. Februar um 22:49 · Gefällt mir











Pega Mund Lieber Jörn Günther, über ein Gedicht von Nelly Sachs würde ich mich freuen!
9. Februar um 23:00 · Gefällt mir











Pega Mund Isabel, du hast gelike-t, machst du mit bei der Textkette? Falls ja, dann wünsch ich mir was von Elizabeth Barrett Browning.
13. Februar um 13:45 · Gefällt mir











Pega Mund Frau Pusteblume, machst du mit? Falls ja, wie wärs mit einem Text von Sarah Kirsch?
13. Februar um 14:29 · Gefällt mir · 1