Bilderreiche Schwere

Die bilderreiche Schwere, mit der ich angefangen hatte, diese sozusagen mich zu Boden ziehende Belastung durch eine Bildwelt, die mich zugleich aussog und immer erfinderischer  zu werden zwang, mußte ich Schritt um Schritt zu überwinden versuchen.

Karl Krolow, in: Gedichte und poetologische Texte. Stuttgart: Reclam 1985, S. 39

Schnapstrinker

Karl Krolow

Schnapstrinker

III

Ich zünd den Schnaps in meiner Tasse
Mit einem trocknen Spane an.
Den Leib der fetten Spinne lasse
Ich zischen überm Feuer dann

Und speie in die blaue Flamme.
Sie knistert. Doch sie lischt nicht aus.
Die Ratte huscht mit glatter Wamme,
Schreit aus der Wand im Träumehaus.

Wie ich mit dünnem Finger tunke
Das Brot in den erhitzten Sprit,
Hüpft geisterhaft ein schwacher Funke
Und zehrt von seinem Korne mit,

Das ich mit trägen Bissen kaue,
Den säuerlichen, festen Teig.
Wohin ich auch beim Essen schaue,
Beginnt um mich das Totenreich.

Es winkt mir hinter der Tapete
Verweste Hüfte, Hand aus Lehm.
Der Geist, der Blut und Speichel säte,
Macht sichs an meinem Tisch bequem.

Es kreist die zart gebogne Flasche
Nun lautlos zwischen ihm und mir.
Ich zieh den Tabak aus der Tasche
Und rauche. Und so schweigen wir.

Mit Händen, die vor Schwäche zittern,
Umkralle ich den Flaschenbauch,
Und schlucke mühsam von dem bittern
Getränke, das mich beizt wie Rauch.

Und wie ich mich des Schlafes wehre,
Fühl ich, wie mein Gebein verdorrt,
Mein Stöhnen endet in der Leere. –
Ich such den andern. Er ist fort!

Aus: Karl Krolow: Heimsuchung. Berlin: Volk und Welt, 1948. [Mit einem Geleitwort von Stephan Hemrlin] S. 18f

Karl Krolow wurde heute vor 100 Jahren geboren.

Singvögel unter seinem Hut

“Der Lyriker – meine ich – sollte sich von Zeit zu Zeit als ein Mann fühlen, der Singvögel unter seinem Hut hält und sie dann im rechten Augenblick in einen eingebildeten Äther entweichen läßt, als ein heiterer Zauberer, dem eine ganze Welt der Imagination zur Verfügung steht, wenn er nur will.”

Karl Krolow: Intellektuelle Heiterkeit. In: Akzente 4/1955, S. 345.

Der Elefant

1.7.4.4.1.1.1.1.1.2.1.3.1 Guillaume Apollinaire: Der Elefant
Ausgewählt von Sven Wenig

Textkette

Wie immer gilt: wer dies likt, bekommt eine Dichterin oder einen Dichter zugeteilt. Für das Liken von 1.7.4.4.1.1.1.1.1.2.1.3 (Goethe: „In tausend Formen magst du dich verstecken…“) bekam ich von Roland Erb zugeteilt: Guillaume Apollinaire. Und da ich momentan doch arg mit der Zeit zu kämpfen habe, mache ich es kurz, und ziehe schnell ein Tier aus dem Zauberhut, am besten einen Hasen… äh Moment! …

in der Hand halte ich gerade einen Elefanten.

 

Guillaume Apollinaire (aus „Le Bestiaire ou Cortège d’Orphée“):

L’éléphant

Comme un éléphant son ivoire,
J’ai en bouche un bien précieux.
Pourpre mort! … J’achète ma gloire
Au prix des mots mélodieux.

IN DER ÜBERSETZUNG VON KARL KROLOW:

Der Elefant

Wie ein Elefant sein Elfenbein
trag‘ kostbar ich im Mund ein Eigentum.
Purpurner Tod! … Ich handle ein
durch Worte zart mir meinen Ruhm.