Ode an das Licht

Taras Schewtschenko (1814-1861)

Ode an das Licht


Klares, lebendiges,

Freies, unbändiges,

Herrliches Licht!

Siehst du denn nicht den Graus,
Daß man in deinem Haus
Dir Fesseln flicht?



Daß dir das Dunkel trutzt,

Daß es dich arg beschmutzt,

Daß es, o blick’s,
Mit Purpur dich verdeckt,
Daß es dich drängt und schlägt

Mit Kruzifix!



Bist du denn tot? Noch nicht!

Auf denn! Es werde Licht!
Es werde Tag!
Auf denn! Zu Fetzen dir

Reißen den Purpur wir

Mit einem Schlag.



Von Weihrauchfässern dann
Rauchen wir Pfeifen an;
Die Offenbarung auch

Stracks in des Ofens Bauch

Schmeiß’ ich hinein!

Weihwasserwedel all’,
Wir brauchen sie zumal,
Um dein Thrones Saal

Zu fegen rein!

Deutsch von Iwan Franko aus:

Франко І. Твори. Т. 52., S. 764 (1882)

Світе ясний! Світе тихий!
(Перенаправлено з Світе ясний! Світе тихий!)
(Кобзарь (1876)/Том 2)

Тарас Шевченко

Світе ясний! Світе тихий!
Моя ти любо! мій ти друже!
Братні проектибратні проекти: дані
Світе ясний! Світе тихий!
Світе вольний, несповитий!
За що ж тебе, світе-брате,
В своїй добрій теплій хаті
Оковано, омурано,
(Премудрого одурено)
Багряницями закрито
І розпьятиєм добито?!…
Не добито! Стрепенися!
Та над нами просвітися.
Просвітися!… Будем, брате,
З багряниць онучі драти,
Люльки з кадил закуряти,
„Явленими“ піч топити,
А кропилом будем, брате,
Нову хату вимітати.

27 Іюня 1860. C. Петербургъ.

Taras Schewtschenko, der auf Ukrainisch schrieb und als Nationaldichter der Ukraine gilt, wurde 1847 zu 10 Jahren Verbannung verurteilt. Doch das war nicht genug: Zar Nikolai I. persönlich unterzeichnete ein Schreib- und Malverbot.

Meine Lieder, meine Träume

Taras Schewtschenko: Meine Lieder, meine Träume. Gedichte und Zeichnungen. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Rolf Göbner. Übersetzt von Alfred Kurella, Erich Weinert, Hedda Zinner, Hugo Huppert, Iwan Franko, Erwin J. Bach und Hans Rodenberg. Berlin: Verlag der Nation / Verlag Dnipro Kiew, 1987. ISBN  3-373-00190-0
DSCI1559

Notdurft

Daß der Mann auch geistig seine Notdurft verrichten muß, ist entsetzlich.

Alfred Lichtenstein, aus: Die Verse des Alfred Lichtenstein. Selbstkritik, in: Dichtungen. Hrsg. von Klaus Kanzog u. Hartmut Vollmer. Zürich: Arche, 1989. 395 S. 3-7160-2089-3 (Arche-Editionen des Expressionismus), S. 225.

Kontext:

Die folgenden Gedichte können in drei Gruppen geteilt werden. Eine vereinigt phantastische, halb spielerische Gebilde: »Der Traurige«, »Die Gummischuhe«, »Capriccio«, »Der Lackschuh«, »Wüstes Schimpfen eines Wirtes«. (Zuerst erschienen in der »Aktion«, im »Simplicissimus«, im »März«, »Pan« und anderswo.) Freude an reiner Artistik ist unverkennbar.

Beispiele: »Der Athlet«: Im Hintergrund ist Demonstration von Weltanschauung. Der Athlet … bedeutet: Daß der Mann auch geistig seine Notdurft verrichten muß, ist entsetzlich.

Das Gedicht:

Der Athlet

Einer ging in zerrissenen Hausschuhen
Hin und her durch das kleine Zimmer,
Das er bewohnte.
Er sann über die Geschehnisse,
Von denen in dem Abendblatt berichtet war.
Und gähnte traurig, wie nur jemand gähnt,
Der viel und Seltsames gelesen hat –
Und der Gedanke überkam ihn plötzlich,
Wie wohl den Furchtsamen die Gänsehaut
Und wie das Aufstoßen den Übersättigten,
Wie Mutterwehen:
Das große Gähnen sei vielleicht ein Zeichen,
Ein Wink des Schicksals, sich zur Ruh zu legen.
Und der Gedanke ließ ihn nicht mehr los.
Und also fing er an, sich zu entkleiden …

Als er ganz nackt war, hantelte er etwas.

Blume & Mond

Basho (1644-1694)

Japanese:

見るところ花にあらずと云ふことなし、
思ふところ月にあらずと云ふことなし。

Romanization:

Miru tokoro hana ni arazu to iu koto nashi,
omou tokoro tsuki ni arazu to iu koto nashi

Translation #172:

There is nothing you can see that is not a flower;
There is nothing you can think that is not the moon.

Aus: Classical Japanese Database

Soldatenlieder II

Alfred Lichtenstein

II

Ich muß eine Stunde vor den anderen kommen,
Weil ich schlecht geschossen habe.
Ich werde wohl nicht befördert werden.
Und nachexerzieren muß ich zur Strafe,
Weil ich, während die anderen vorschriftsmäßig
Starr auf die Mütze der Vorderen blickten,
Ah wir vor der roten Sonne
Über die leuchtenden Felder marschierten,
Vorsichtig zu dem kleinen Flieger schielte,
Der über mir in dem großen, glühenden
Abendhimmel wie eine Biene summte.

Gebet vor der Schlacht

Alfred Lichtenstein (23.8.1889 – 25.9.1914)

Gebet vor der Schlacht

Kriegsgedichte

Inbrünstig singt die Mannschaft, jeder für sich:
Gott, behüte mich vor Unglück,
Vater, Sohn und heiliger Geist,
Daß mich nicht Granaten treffen,
Daß die Luder, unsre Feinde,
Mich nicht fangen, nicht erschießen,
Daß ich nicht wie’n Hund verrecke
Für das teure Vaterland.

Sieh, ich möchte gern noch leben,
Kühe melken, Mädchen stopfen
Und den Schuft, den Sepp, verprügeln,
Mich noch manches Mal besaufen
Bis zu meinem selgen Ende.
Sieh, ich bete gut und gerne
Täglich sieben Rosenkränze,
Wenn du, Gott, in deiner Gnade
Meinen Freund, den Huber oder
Meier, tötest, mich verschonst.

Aber muß ich doch dran glauben,
Laß mich nicht zu schwer verwunden.
Schick mir einen leichten Beinschuß,
Eine kleine Armverletzung,
Daß ich als ein Held zurückkehr,
Der etwas erzählen kann.

Pferd trippeltrapp

Basho (1644-1694)

My horse
Clip-clopping over the fields–Oh ho!
I too am part of the picture!

Dieser Haiku wird auf vielen Webseiten wiedergegeben, leider anscheinend immer ohne den Namen des Übersetzers. Es scheint sich um eine verbreitete Ausgabe zu handeln. Vielleicht weiß jemand, wer es übersetzt hat?

Wörtliche Übersetzung

馬ぼくぼく我を絵に見る夏野哉
uma bokuboku / ware o e ni miru / natsu-no kana

pferd tripptrapp / mich im bild sehe / sommermoor