Johann Wolfgang Goethe
Erste Fassung, 1790
Immer halt ich die Liebste begierig im Arme geschlossen Immer schliest sich mein Herz fest an den Busen ihr an. Immer lehnt sich mein Haupt in ihrem Schoos und ich blicke Nach dem lieblichen Mund, ihr nach den Augen hinauf. »Weichling!» – Schölte mich einer. »Wie so verbringst du die Tage?« Ach, ich verbringe sie schlimm! Höre nur wie mir geschieht. Allen meinen Freuden hab ich den Rücken gekehret. Schon den zwanzigsten Tag schleppt mich der Wagen umher. Vetturine trozzen mir nun, es schmeichelt der Kämmrer Und der Bediente vom Platz sinnet auf Lügen und Trug Will ich ihnen entgehn, so faßt mich der Meister der Posten Postillone sind Herrn! Dann die Dogane dazu! »Ich verstehe dich nicht, du widersprichst dir! du schienest Paradiesisch zu ruhn, ganz wie Rinaldo beglückt![«] Ach ich verstehe mich wohl: es ist mein Körper auf Reisen Und es ruhet mein Geist stets der Geliebten im Schoos.
Vetturine: Lohnkutscher
Kämmrer: (camariere) Kellner
Meister der Posten: ital. maestro di posta, Postmeister
Dogane: Zollbeamte
Rinaldo: Figur aus Torquato Tassos „Befreites Jerusalem“